Umverteilung.at

Home
Dahinter steht
Grundsatzpapier
Demokratie und |Volksherrschaft
Vorbereitung einer| Wahlgemeinschaft
Manifest
Kommentar
Archiv
Links
Kontakt
Site-Suche
Newsletter| An-/Abmeldung
Impressum

 
Sie wollen keine Volksabstimmung

Teil eins: Die herrschenden Verhältnisse

 

In allen gesellschaftlichen Lagern wird der Ruf nach Umverteilung lauter. Auf die eine oder andere Art sollen die Reichen mehr Steuern zahlen.

Die wirtschaftliche und daraus folgende soziale Krise, die ökologischen Notwendigkeiten und die Endlichkeit wichtiger Rohstoffe haben beschleunigt, was www.umverteilung.at und www.steuerini.at  seit zehn Jahren vorhergesagt haben.

Die weitere Verbesserung der menschlichen Lebensbedingungen erfordert die Milderung (und schließlich Aufhebung) des höchst ungleichen Zuganges zu den geistigen und materiellen Grundlagen des Lebens.

Denn grob geschätzt besitzen nur rund zehn Prozent der Menschen an die  zwei Drittel des gesellschaftlichen Vermögens.

Angefangen von Kommunisten und Linken aller Schattierungen über die Grünen und sogenannten Volksparteien, Gewerkschaften, Kirchen bis hin zu einzelnen Vertretern des Unternehmertums- überall ertönt der Ruf nach neuen Steuern für das Kapital und die Vermögenden. Viele NGO´s waren sowieso schon lange dafür.

Vermögens- und Vermögenszuwachssteuern, Erbschafts- und Schenkungssteuer, Börsenumsatzsteuer, Finanztransaktionssteuer, Bankenabgabe und höhere Besteuerung von Boni sind im Gerede.

Da erhebt sich schon die Frage: warum geschieht dann fast nichts?  Die Antwort liegt in der Verfasstheit der Gesellschaft.

Seit Jahrtausenden verbessert die Menschheit ihre Lebensbedingungen in erster Linie durch Verbesserungen der Produktion. Alle Reformen, Revolten und Revolutionen haben zwar den Kreis der Begünstigten etwas erweitert. Sie konnten aber nicht verhindern, dass die Besitzverhältnisse (und gegebenenfalls die Verfügungsgewalt) wesentlich im gleichen Maßstab blieben. Eine Minderheit (damals Sklavenhalter und Adel, jetzt Kapitalisten und Vermögende) verfügt über die deutliche Mehrheit des gesellschaftlichen Reichtums und lenkt die Gesellschaft in ihrem Interesse.

Unter den heutigen politischen Bedingungen geschieht das im Rahmen der bürgerlichen parlamentarischen Republik.

Was immer auch in den Parteiprogrammen stehen mag, auf geradezu wundersame Weise findet sich keine parlamentarische Mehrheit für eine an die Wurzel gehende Umverteilung.

Eine radikale (also an die Wurzel gehende) Umverteilung bedeutet, dass die Mehrheit der Menschen über die Mehrheit des gesellschaftlichen Reichtums verfügt.

Oder wie es der Philosoph John Rawls formulierte: „Eine Gesellschaftsordnung ist dann gerecht, wenn sich jedes ihrer Mitglieder mit jedem darin möglichen Platz einverstanden erklären kann ohne ihn vorher zu kennen.“

Wie verschwindet also die Macht, die vom Volke ausgeht, auf ihrem Weg zur parlamentarischen Abstimmung?

Die besitzende und herrschende Elite braucht dazu nicht unbedingt eine eigene Mehrheitspartei. Viel wirksamer, weil nicht so leicht durchschaubar, ist ihr Einfluss in fast allen wesentlichen Parteien. Das sichert den bestimmenden Einfluss über die wechselnden Parlamentsmehrheiten hinweg.

Die Grundlagen des bestimmenden Einflusses sind:

Erstens die Lenkung der öffentlichen Meinung über die veröffentlichte Meinung. Denn die Masse der Medien ist in der Hand der Reichen und damit letztlich ihr Sprachrohr- da hilft kein Redaktionsstatut.

Zweitens wird darauf aufbauend ein Netzwerk von entscheidenden Politikern und Funktionären in den wichtigen Parteien gefördert und gegebenenfalls diszipliniert. Einerseits droht diesen Politikern im Fall der Unbotmäßigkeit die Abwahl mit Hilfe der veröffentlichten Meinung. Anderseits lockt die Belohnung  durch Förderung und finanzielle Unterstützung (hohe Spenden und Einsetzung finanzieller Macht zur Durchsetzung bestimmter Projekte).

Die persönliche finanzielle Förderung willfähriger Politiker zeigt sich deutlich im raschen Wechsel zwischen hochdotierten Posten in Politik und Wirtschaft.  

Das Netzwerk der willfährigen Politiker wird auf diese Weise zum Netzwerk der realen Macht in den Parteien. Und sorgsam vorbereitete Parteitage nicken dieser Machtverteilung dann öffentlich zu. Vereinzelte Kritik daran ist geradezu erwünscht. Denn sie dient noch zur Stärkung der Illusion von der innerparteilichen Demokratie. Tatsächlich ist sie, weil in der vorbereitet sicheren Minderheit, garantiert erfolglos.

Der Höhepunkt dieser öffentlichen Politshow ist das periodische Auftreten moderner Volkstribunen, die von den im Besitz der Reichen befindlichen Massenmedien prominent in Szene gesetzt werden. Ihr Hauptzweck ist das Aufsaugen von Proteststimmen anstelle eigener aktiver politischer Betätigung der BürgerInnen- zum Beispiel in NGO`s.  

Die darauf ebenfalls periodisch nachfolgende Ernüchterung der wütenden Protestwähler dient  der politischen Entmutigung. Enttäuschte Nichtwähler verzichten auf das Mittel der Einflussnahme.

 Drittens verändert die jahrzehntelange Vorherrschaft der politischen Netzwerke der herrschenden Schicht die Grundlagen der Politik. Sie führt langfristig zu einem Netzwerk von Grundsatzentscheidungen. Diese erschweren (oder verunmöglichen im Idealfall) einen Richtungswechsel.

So bewirkt die grundlegende Konstruktion der Europäischen Union mit Hilfe des Vertrages von Lissabon als Folge der jahrzehntelangen parlamentarischen Dominanz der herrschenden Schicht ein prinzipielles Übergewicht der Interessen der Reichen in der realen Politik. Die im Vertrag von Lissabon festgezurrten vier Grundfreiheiten (Kapital-, Waren-, Dienstleistungs- und Freiheit des Personenverkehrs) und grundlegenden politischen Spielregeln garantieren geradezu das Übergewicht der Interessen der Reichen.

Da prallen die besten politischen Absichten und Beschlüsse auf die Realität der wirtschaftlichen Macht, die durch die Grundsatzpolitik der EU abgesichert ist. Da wird zum Beispiel zur Eindämmung der Wirksamkeit wünschenswerter nationaler Steuergesetze bezüglich Umverteilung der Fluchtweg für das Kapital garantiert. Und damit das möglichst lange auch so bleibt, sieht die EU gerade in Steuerfragen Einstimmigkeit vor.

Die bürgerliche demokratische Republik ermöglicht theoretisch den Beschluss jeder wünschenswerten Politik. Praktisch engen die geschilderten Verhältnisse die Möglichkeiten auf den Weg des Kapitals ein. Theoretisch entscheidet die Mehrheit der Stimmen. Praktisch sieht der Vertrag von Lissabon nicht einmal eine Volksabstimmung vor.

Eine Volksabstimmung ist die nichtrevolutionäre Möglichkeit der Mehrheit des Volkes die Dominanz der herrschenden Schicht in einer wesentlichen Frage zu brechen.

Doch die Volksabstimmung ist kein Wundermittel das schlagartig eingesetzt werden kann. Vielmehr ist sie der Höhe- und Endpunkt eines komplexen Prozesses mit langer Vorlaufzeit.

Sowohl die politische Willensbildung (welche Fragestellung) als auch die Organisierung (die gesamte Bevölkerung muss einbezogen werden) stellen hohe Anforderungen, die schrittweise umgesetzt werden müssen.

Die Belohnung dafür liegt in einem allseitigen Erkenntnisstand der Bevölkerung. Dieser ist allerdings eine notwendige Voraussetzung um die Strategie der bestimmenden Schicht zu überwinden.

Hier wird prophezeit: Auch die Reichen werden in den nächsten Jahren ein Geld zur Aufarbeitung der Krise beitragen. Das wird ein taktisches Zugeständnis sein um ihre Strategie durchzusetzen: die Hauptlast der Kosten wird den kleinen Leuten aufgebürdet.

                                                  Im Teil zwei dieses Beitrages wird in einer Woche das Verhältnis der Zivilgesellschaft zur Volksabstimmung behandelt.

Wien, 29.01.2010                                           Hans Kohlmaier, www.umverteilung.at